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Bewertungsgrundlage Mineralöle in Lebensmitteln und Verpackungsmaterialien

Karton für Verpackungen wird aus ökologischen Gründen zu einem großen Teil aus recyceltem Altpapier hergestellt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Recyclingkartons hohe Mineralölanteile enthalten können.

Bewertungsgrundlage Mineralöle in Lebensmitteln und Verpackungsmaterialien

Hintergrund

Mineralöle bzw. Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) sind Destillationsprodukte von Erdöl oder Steinkohlenteer. Sie enthalten gerade und verzweigte aliphatische, cycloaliphatische sowie aromatische Kohlenwasserstoffe. Daneben können auch polycyclische Aromaten und Heterocyclen enthalten sein. Die Palette der MKW reicht von leichtflüchtigen und gut abbaubaren Kohlenwasserstoffen bis zu schwerlöslichen, schwerflüchtigen und schwer abbaubaren hochmolekularen Verbindungen aus Schmierfetten und -ölen. 

Der Ursprung der Mineralöle im Verpackungsmaterial sind Druckfarben, wie sie üblicherweise im Zeitungsdruck verwendet werden. Mineralöle aus Druckfarben und Recyclingkarton können in hohen Mengen in verpackte Lebensmittel übergehen. Es handelt sich dabei um kürzerkettige Mineralölfraktionen mit Kohlenstoffzahlen <25 und einem hohen Anteil an Aromaten (10-25%). Messgrößen sind die Summen der gesättigten Mineralöl-Kohlenwasserstoffe (Mineral Oil Saturated Hydrocarbons, MOSH), die aus offenkettigen Paraffinen und cyclischen Alkanen bestehen, sowie der Mineralölaromaten (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons, MOAH) aus 1-5 aromatischen Ringen. Allerdings gelangen Mineralöle unterschiedlicher Zusammensetzung auch auf vielen anderen Wegen in Lebensmittel: 

  • Verunreinigung mit "Batching Oil" aus Jutesäcken (Haselnüsse, Reis)
  • Mineralische Trennöle bei Backwaren
  • Paraffinöl zur Schönung von Reis
  • Hydrauliköle: Dosieranlagen
  • Mineralöl in Speiseölen (ukrainisches Sonnenblumenöl)
  • Havarie Produktion (Schmieröl, Motoröl, Hydrauliköl)
  • Einfluss der Umweltbelastung (Ruß)
  • Paraffinöl als Staubbinder

Kritische Lebensmittel

Das BfR geht davon aus, dass besonders bei Lebensmitteln mit einer großen Oberfläche wie z.B. Mehl, Gries, Reis, Frühstückscerealien, Kakaopulver oder Semmelbrösel ein Übergang der Mineralöle aus der Kartonverpackung zu erwarten ist.

Toxikologische Einstufung

Da die Datenlage zur toxikologischen Bewertung der Mineralölgemische bislang nicht ausreichend ist, liegt noch keine Risikoabschätzung durch das BfR vor. So ist nicht umfassend bekannt, wie stark Lebensmittel durch den Übergang von Mineralöl aus Kartonverpackungen belastet sind und wie hoch der Anteil ist, der vom Körper resorbiert wird. Desweiteren fehlt noch eine ausreichende Charakterisierung der Zusammensetzung der Mineralölgemische. Auch liegen für die bisher in Kartonverpackungen nachgewiesenen speziellen Gemische MOSH und MOAH keine toxikologischen Studien vor.

Prinzipiell sind jedoch gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln derartige Kontaminationen auf so niedrige Werte zu begrenzen, wie sie durch gute Praxis auf allen in Artikel 1 der Verordnung genannten Stufen sinnvoll erreicht werden können (ALARA-Prinzip: "as low as reasonably achievable"). 

Stellt sich jedoch nach Vorliegen einer toxikologischen Bewertung der Mineralöle heraus, dass die auf das Lebensmittel übergegangenen Substanzen bzw. die übergegangenen Mengen an Mineralöl geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden, ist sowohl das Inverkehrbringen des Lebensmittels (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 315/93) als auch die Verwendung dieser Verpackungen nicht mehr zulässig (§ 31 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen). 

Strategien zur Vermeidung

  • Packungen mit funktioneller Barriere (Innenbeutel aus geeignetem Material)
  • Verzicht auf Karton bei der Verpackung
  • Umstellung auf Frischfasern
  • Verwendung mineralölfreier Druckfarben

Laut Aussage des BfR ist jedoch davon auszugehen, dass aufgenommene Gemische nur langsam wieder aus dem menschlichen Körper ausgeschieden werden und sich somit im Körper anreichern können.
Desweiteren weisen die Mineralöle aus Druckfarben einen relativ hohen Aromenanteil (ca. 20%) auf, der sehr komplex zusammengesetzt ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf Grund von Strukturhomologien ein kanzerogenes Potential in der komplexen Mischung aus substituierten PAK vorhanden ist. 

Der ADI-Wert für Class II/III-Mineralöle (Mineralöle mit niedriger bis mittlerer Viskosität, einer Kohlenstoffzahl <25 und einem durchschnittlichen Molekulargewicht <480 g/mol; EFSA 2009) beträgt 0,01mg/kg Körpergewicht. Das heißt, dass eine tägliche Aufnahmemenge von 0,6mg für einen Erwachsenen mit 60kg Körpergewicht als akzeptabel angesehen wird. 

Bei der Expositionsabschätzung des Verbrauchers durch die Mineralöle im Lebensmittel ist jedoch zu berücksichtigen, dass es in Abhängigkeit von der Zubereitungsart (Quellreismethode, Wasserreismethode) möglicherweise zu einer Reduktion des Gehaltes an Mineralölen kommen kann. Demgemäß ist eine abschließende rechtliche Beurteilung zur Zeit noch nicht möglich.

Analytik

Die Messung der Mineralölgehalte in Lebensmitteln ist anspruchsvoll, weil es sich um ein komplexes Gemisch handelt, das als Summe aller Komponenten quantifiziert werden muss. Dies ist nur mit einem Flammenionisationsdetektor möglich, der weder selektiv noch sehr empfindlich ist und deswegen eine effiziente Aufreinigung erfordert. Eine Einzelkomponentenanalyse ist wegen der enormen Zahl der Verbindungen nicht möglich. Zudem müssen die MOSH und MOAH von lebensmitteleigenen Kohlenwasserstoffen unterschieden und oft auch abgetrennt werden. Das erfordert spezielle Techniken, wie die Abtrennung langkettiger pflanzlicher Alkane und Olefine (z.B. isomerisierte Squalene). 

Prinzip

Die Mineralölkohlenwasserstoffe werden aus der Probe mit einem organischen Lösemittel extrahiert und nach Aufreinigung an einer Festphasenkartusche mittels GC-FID bestimmt. Die Quantifizierung erfolgt nach Normierung mit einem internen Standard über die Methode des externen Standards. Zur Kalibrierung wird eine zertifizierte Standard-Mineralölmischung (additivfreies Schmieröl) verwendet. Für die getrennte Bestimmung der MOSH und MOAH werden spezielle Trennmaterialien verwendet (aktiviertes Kieselgel mit einem Zusatz von Silbernitrat).

Interpretation

Bei der Interpretation der analytischen Resultate geht es vor allem um die Abklärung des Mineralöltyps (Hinweis auf Quelle) und um die vermutliche Zusammensetzung der Verunreinigung (toxikologische Rückschlüsse - Mineralische Paraffine mit einem hohen Molekulargewicht gelten weniger toxisch als Paraffine kürzerer Ketten; besonders kritisch: C20 - C26).

Bsp: Reis mit Mineralöl aus Recyclingkarton

Das nachgewiesene Mineralölgemisch im Reis besteht aus einer Vielzahl mittelflüchtiger Kohlenwasserstoffe mit einer Kettenlänge im Bereich von C14 bis C25 (kürzerkettige Mineralölfraktion, Verteilung ist C18 -zentriert). Es wurde ein Gehalt von 8,0 mg MOSH (Mineral oil saturated hydrocarbons) und 2,0 mg MOAH (Mineral oil aromatic hydrocarbons) je kg Reis bestimmt. Auf dem "Mineralölberg" sind regelmäßig auftretende Peaks erkennbar, die n-Alkane darstellen. Aufgrund der charakteristischen Molekularmassenverteilung ist davon auszugehen, dass der gemessene Übergang zu einem wesentlichen Anteil durch das Ausgasen der Mineralöle aus dem Verpackungskarton (Druckfarbe) erfolgte (ab C24 kaum mehr in der Gasphase).

Literatur:

[1]Fragen und Antworten zu Mineralöl-Übergängen aus Verpackungsmaterialien auf Lebensmittel (FAQ des BfR vom10.03.2010)

[2]Übergänge von Mineralöl aus Verpackungsmaterialien auf Lebensmittel (Stellungnahme Nr. 008/2010 des BfR vom 09.12.2009)

[3]Mineralölanalytik im Lebensmittelbereich. Workshop des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Berlin und des Kantonalen Labors Zürich, Juni 2010

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