Es ist fast 10 Jahre her, dass Rückstände von Mineralölbestandteilen in Sonnenblumenöl detektiert und im RASFF hinterlegt wurden. In der Folgezeit kam es zu einer rasanten Methodenentwicklung, die insbesondere durch das Kantonale Labor in Zürich vorangetrieben wurde. Ein starkes mediales Interesse löste dann 2012 die Veröffentlichung von Ergebnissen der Stiftung Warentest aus, die in Schokoladenfiguren aus Adventskalendern Rückstände von Mineralölbestandteilen nachweisen konnte. Bei diesen Mineralölbestandteilen handelt es sich um komplexe Stoffgruppen aus gesättigten (MOSH) und aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH). MOSH und MOAH stehen im Verdacht die Gesundheit des Verbrauchers zu beeinträchtigen. Es wurden in der Folgezeit zwei wesentliche Eintragswege erkannt, die sich aber auch teilweise überlappen. Der primäre Eintragsweg berücksichtigt den gesamten Produktionsprozess von der Ernte bis zum fertigen Lebensmittel. Dabei hat das Lebensmittel im Verlauf der Herstellung vielfältige Kontakte mit zugelassenen technischen Hilfsstoffen, die u.a. auf Basis von Mineralölfraktionen hergestellt sind. Diese technischen Hilfsstoffe sind differenziert in ihrer Zusammensetzung und reichen von Antistaubmitteln bis zu Schmierölen/-fetten für die Produktionsanlagen. Ein sekundärer Eintrag dieser Verbindungen erfolgt durch eine Migration aus Verpackungsmaterialien (recyceltes Papier/Karton, Jutesäcke, Druckfarben, Klebstoffe etc.) in das Lebensmittel. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass sich die Strategien zur Minimierung von Mineralölbestandteilen in Lebensmitteln sehr unterschiedlich gestalten.
Ziel des Seminars war es, mit kompetenten Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft (Hersteller, Handel) sowie dem Verbraucherschutz den aktuellen Sachstand im Bereich „Toxikologie“, „Analytik“, „Rechtsprechung“, „Technologie der Erdölverarbeitung“ und „Einträge in Lebensmitteln und Mineralölbestandteile in Kosmetika“ abzubilden, zu diskutieren und Punkte zu identifizieren, die einer weiteren Bearbeitung bedürfen.
An beiden Tagen stellten 22 Referenten neue Erkenntnisse auf diesen Gebieten vor und diskutierten mit den über 100 Teilnehmern die einzelnen Schwerpunkte.
Die Vorträge der Referenten zur Toxikologie dieser Verbindungen zeigten auf, dass eine Vielzahl tierexperimenteller Daten vorliegen, deren Vergleich bzw. Übertragung auf den Menschen Schwierigkeiten bereitet, da unterschiedliche Modelle verwendet wurden. Die Zusammensetzung der Fraktionen beeinflusst deren toxikologisches Potential. Validierte Methoden zur Bestimmung von Mineralölbestandteilen in biologischen Materialien liegen vor.
Die Analytik der MOSH/MOAH ist auf einem sehr hohen Niveau und für den Nachweis in einzelnen Lebensmittelgruppen sowie Kosmetika liegen validierte Methoden vor, die einer Normierung bedürfen. Damit wäre auch der Weg frei, Höchstmengen/Grenzwerte etc. durch die nationale/EU-Gesetzgebung festzulegen. Solche Festlegungen würden für das Handeln der amtlichen Lebensmittelüberwachung, der Handelslabore sowie insbesondere für die Lebensmittelhersteller und Retailer erhebliche Rechtssicherheit schaffen. Für 2017 bis 2019 ist von der EU ein Monitoring von Mineralölkohlenwasserstoffen geplant. Die EFSA soll Daten zur Verteilung von MOSH und MOAH in der Nahrung zusammentragen, um daraus eine valide Expositionsabschätzung vornehmen zu können.
Weiterhin wurden die unterschiedlichen Raffinationsstufen (Destillation, Hydrierung etc.) des Rohstoffes „Erdöl“ zur Gewinnung von Mineralölfraktionen für die spezifischen Anforderungen der einzelnen Bereiche der Industrie (vom Flugzeugbenzin bis zum Arzneimittelrohstoff) erläutert. Zur toxikologischen Charakterisierung der einzelnen Fraktionen werden auch durch die Hersteller u.a. tierexperimentelle Untersuchungen durchgeführt.
Ein weiterer Teil der Veranstaltung befasste sich mit der Frage der Minimierung der Migration unerwünschter Mineralölkomponenten aus Verpackungen in Lebensmitteln. Die Vorträge zeigten auf, dass derzeit eine Vielzahl von erfolgreichen Ansätzen zur Minimierung bestehen, wie der Austausch von Recyclingpapieren durch Frischfasern oder der Einsatz komplex aufgebauter Sperrschichten (Barrieren) in den Umhüllungen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Vielzahl toxikologischer Erkenntnisse vorliegen. Es besteht jedoch auf diesem Gebiet noch erheblicher Handlungsbedarf. Die methodischen Voraussetzungen zur Bestimmung von Mineralölbestandteilen sind gegeben und bedürfen aber einer Standardisierung.
Die Veranstaltung fand in einer offen-konstruktiven und kollegialen Atmosphäre statt, zu der die Referenten und Teilnehmer wesentlich beitrugen. Weiterhin waren die räumlichen Rahmenbedingungen für diese Veranstaltung exzellent. Die Veranstaltungspausen aber auch das Get-together am ersten Abend boten für die Teilnehmer weitere Möglichkeiten für einen persönlichen Meinungsaustausch. Es ist anzustreben, zu gegebener Zeit in einer ähnlichen Veranstaltung alle Beteiligten zu einem Gedankenaustausch zu dem Problemkreis „Mineralölrückstände“ zusammenzuführen.